Was fasziniert mich an der Fotografie ?
    das Erfassen eines unwiederholbaren Augenblicks

Was fasziniert mich an der Natur ?
    Schönheit, Mannigfaltigkeit, Vollkommenheit auch im 
    Kleinsten

Wo sehe ich eine Verbindung zur Literatur ?
    die Dichter haben seit jeher ein besonderes Ahnungs-   
   vermögen für die Natur 
       
Wo empfinde ich eine Verbindung zur Spiritualität ?         
    die Erscheinungen der Natur bilden ein Ganzes, 
   das universellen Gesetzen folgt:  

                      “das Geistige in der Natur” 


Solange ich zurückdenken kann, fasziniert mich das Lebendige.
Schon als Kind habe ich mich der Natur und ihren Schöpfungen – ob Pflanzen oder Tieren – sehr verbunden gefühlt und auf meine Art und Weise versucht, ihre Seinsweise zu ergründen – durch unmittelbaren Kontakt oder durch das Anschauen. 

Die Schönheit von Schneckenhäusern, Federn, Muscheln, Steinbildungen und Schmetterlingsflügeln berührt mein Herz bis heute; mein Erstaunen vor der Vielfalt der Erscheinungen, der Farben und Formen im Großen wie im Kleinsten versiegt nie und findet immer wieder neuen Anlass.

Mein anderes unerschöpfliches Interesse gilt der Literatur und besonders der Lyrik. Dabei haben mich vor allem diejenigen Dichter inspiriert, die sich schreibend und forschend einem tiefen Verstehen der Natur angenähert haben.  
Besonders die Schriften Goethes – der sich zugleich als Dichter und Natur-wissenschaftler verstand – haben mich durch mein Studium der Germanistik und Kunstgeschichte immer begleitet, ebenso wie das Werk von Novalis, das sich nicht nur mit menschheitlichen, sondern auch tiefgründigen naturphilosophischen Fragestellungen befasst, so zum Beispiel mit dem Zusammenhang von Geist und Natur oder von Selbsterkenntnis und Naturerkenntnis.

Bei Goethe und Novalis, Stifter und Hölderlin erscheint die Natur als ein Spiegel des Menschen, eng mit ihm verbunden und ihn zu höherer Erkenntnis seiner selbst führend. Die Natur ist ihnen ein unteilbares Ganzes, das seine Geheimnisse nur demjenigen offenbart, der sich ihm mit „zarter Empirie“ annähern kann. Das heißt, der Mensch soll seinen Sinn für die Natur immer weiter ausbilden, damit er selbst als Mensch seine Ganzheit erfährt. 

Die Fotografie ist für mich eine Möglichkeit, die Anschauung der Natur in diesem Sinne zu betreiben. Jedes Bild, das mich anspricht, führt in den eigenen inneren Kosmos und stößt dort auf Resonanz. So tritt der Betrachter in ein Wechselgespräch, das ihn die Verwandtschaft alles Seienden fühlen lässt. 
Das Bild außen wird zum Geschehen in seinem Inneren, wie es auch Rilke in einem Gedicht formuliert:


Durch alle Wesen reicht der eine Raum:
Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still
durch uns hindurch. O, der ich wachsen will,
ich seh hinaus, und in mir wächst der Baum.

Ich sorge mich, und in mir steht das Haus.
Ich hüte mich, und in mir ist die Hut.
Geliebter, der ich wurde: an mir ruht
der schönen Schöpfung Bild und weint sich aus.
                            
                                      Rainer Maria Rilke, August/September 1914


Der Mensch, der die Natur in diesem Sinne betrachtet, wächst innerlich selbst und hat teil an ihrer Schönheit und Großartigkeit.
Er kann sein Menschsein in einer weit größeren Dimension wahrnehmen, als er es normalerweise tut – und sich selbst gewissermaßen als einen „kosmischen Menschen“. 

Den Erscheinungen der Natur liegen wohl tiefere Gesetze zugrunde, die Mensch und Tier, Pflanze und Stein gemeinsam sind.

Goethe notiert:

„Wir sollten weniger sprechen und mehr zeichnen. 
Ich meinerseits möchte mir das Reden ganz abgewöhnen und wie die 
bildende Natur in lauter Zeichnungen fortsprechen. Jener Feigenbaum, 
diese kleine Schlange, der Kokon, der dort vor dem Fenster liegt und 
seine Zukunft ruhig erwartet, alles das sind inhaltsschwere Signaturen; 
ja, wer nur ihre Bedeutung recht zu entziffern vermöchte, der würde alles
Geschriebene und alles Gesprochene bald zu entbehren imstande sein.“


In ähnlicher Weise spricht Novalis von einer „Chiffernschrift“, die in den Phänomenen der Natur zu ahnen sei. Beiden gemeinsam ist die Auffassung von den Strukturen in der Natur als einer „Schrift“, ja eines „Textes“, den es zu entziffern gilt. Die Strukturen sind nicht zufällig und willkürlich, sondern planvoll und geheimnisvoll. Sie künden von inneren Gesetzmäßigkeiten und innerem Sinn. Dieser Sinn, gewissermaßen eine „Weltschrift“, ist jedem Seienden als ein „offenbares Geheimnis“ eingeschrieben. 
Diese Schrift – also diese Sinnhaftigkeit – wenn auch nur ahnend entziffern zu können, ist die ureigene Sehnsucht der Dichter und Künstler.

Paul Klee, ein bildender Künstler des 20. Jahrhunderts, geht sogar so weit, eine einzige Formel zu vermuten, die die gesamte „Weltschrift“ in sich umfasst – gewissermaßen eine Chiffre für das ganze Universum: 

      „Ich suche einen entlegenen schöpfungsursprünglichen Punkt, 
       wo ich eine Art Formel ahne für Mensch, Tier, Pflanze, 
      Erde, Feuer, Wasser, Luft und alle kreisenden Kräfte zugleich.“

In dieser Suche begegnen sich letzten Endes Wissenschaft und Kunst – wie auch die Religionen. Die geheimnisvollen Antworten gibt die Naturanschauung selbst ...